Kindheitserinnerungen
Wenn ich an Handarbeit denke, fällt mir sofort mein Pflichtunterricht in der Grundschule 3./4. Klasse ein. Da musste ich Handarbeiten, eine Wahl gab es nicht. Das klingt erst einmal nicht schön, aber es hat dazu geführt, dass Handarbeit für mich etwas sehr Persönliches und Individuelles geworden ist. Aus Trotz.
Die Topflappen-Episode
Ich erinnere mich noch daran, dass wir einmal im Handarbeitsunterricht der Grundschule Topflappen häkeln sollten, was ich als 8- oder 9-Jährige nicht wirklich spannend fand. Auf diese Topflappen sollte es eine wichtige Note geben; ich musste die Dinger also irgendwie fertigbekommen. Die Technik war nicht das Problem. Auch Garn hatte ich. Es waren die 70er Jahre und die Trendfarben braun, beige und orange. Aber ich hatte überhaupt keine Lust, so etwas zu machen. Ich habe dann mit Todesverachtung winzige quadratische Topflappen gehäkelt, sie waren braun-beige-orange gestreift, mit einem beigen Rand aus Mäusezähnchen. Ich kann sie noch vor meinem inneren Auge sehen. Auf diese winzigen Topflappen habe ich keine gute Note bekommen, worauf ich noch empört versucht habe, das Ergebnis gegenüber der Handarbeitslehrerin zu verteidigen: „Meine Mama hat keine großen Töpfe!“.
Die Rebellion beginnt
Eigentlich hätte dieses Erlebnis mir Handarbeiten gründlich verleiden können. Aber ich habe eine rebellische Persönlichkeit und war nur wütend auf die Schule oder Lehrerin, dass ich so blöde Aufgaben gestellt bekam. Denn Handarbeit war bei uns in der Familie eher positiv besetzt. Meine Oma hat Socken gestrickt, meine Mama konnte super nähen und meine älteren Schwestern tolle Sachen stricken und häkeln. Etwas zu handarbeiten, das ich nicht ansprechend oder nützlich fand, kam mir irgendwie falsch vor, sodass ich schon als Kind dagegen rebelliert habe.
Werken statt Handarbeit
Als ich dann ins Gymnasium kam und die Wahl zwischen Handarbeit und Werken hatte, war mir sofort klar, dass ich Werken nehme. Ich wollte nicht noch einmal etwas herstellen, was ich nicht brauche oder schön finde. Im Werkunterricht konnten wir unsere eigenen Ideen einbringen, haben Spiele aus Holz gefertigt und Marionetten, die ich dann auch gerne mit selbst genähter Kleidung versehen habe.
Kreativität und Selbstbestimmtheit
Dieser Hang zur Selbstbestimmtheit, die Verweigerung, aus meiner Sicht unsinnige Dinge zu tun, begleitet mich schon mein ganzes Leben. Und Handarbeit ist etwas Kreatives, das mir hilft, mich individuell auszudrücken. Gerade in diesem Bereich liebe ich es, Neues zu lernen, das mir hilft, Dinge zu schaffen, die ich brauche und schön finde. Ästhetik mit Nutzen.
Experimentierphase
Ich weiß gar nicht mehr, was ich alles an Handarbeiten ausprobiert habe, Wolle mit Pflanzen färben und spinnen, Makramee, Seidenmalen, … Nähen, Stricken und Häkeln ist geblieben. Obwohl ich zu Häkeln ein nicht ganz so entspanntes Verhältnis habe, wie zum Stricken oder Nähen. Ich häkele auch ab und zu, habe als Teenager aus Bindfaden Taschen gehäkelt – das scheint mir aktuell wieder ein Trend zu werden – habe Mützen und auch Amigurumi produziert. Aber Stricken oder Nähen ist für mich immer noch entspannter. Socken stricken ist für mich Entspannung pur. Ohne groß nachzudenken, sind die Hände beschäftigt und der Geist kann sich frei entfalten.
Nähen, meine große Liebe
Nähen hat für mich ein ganz besonderes kreatives Potenzial. Meine Mama konnte sehr gut nähen, hat mich als Kind aber „machen lassen“, wenn ich an die Nähmaschine wollte. Sie hat mir alles gezeigt, was ich wollte, dann aber losgelassen. Ich bin dafür so unendlich dankbar. Denn dadurch konnte ich meine eigenen Erfahrungen und Fehler machen, die mich weitergebracht haben. Meine ersten Werke an der Nähmaschine waren lange Schlabberkleider aus alten Bettlaken, die ich gebatikt und auf dem Flohmarkt verkauft habe. Aber ich wollte mehr.
Nähkurs-Erkenntnisse
Ein Nähkurs, den ich als Teenager belegt habe, hat sich ähnlich angefühlt wie die Topflappen-Geschichte aus der Grundschule. Denn dort sollten wir alle die gleichen Blusen nähen. Der Schnitt war vorgegeben. Nur den Stoff konnte man wählen. Nein, das war nichts für mich. Ich habe letztlich eine Bluse aus blauem Karo-Flanell genäht und habe sie nie getragen. Trotzdem habe ich etwas gelernt, nicht nur Nähtechniken, sondern vor allem, dass enge Vorgaben in einem Bereich, wo ich mich individuell ausdrücken möchte, nichts für mich sind.
Mein individueller Weg
Meine Mama zu fragen, wenn ich etwas wissen oder eine neue Technik lernen wollte, war der richtige Weg für mich. Heute sind es Bücher, der Austausch mit Gleichgesinnten oder ich suche online nach neuen Erkenntnissen.
Deine Handarbeits-Geschichte
Ich bin gespannt auf deine Handarbeits-Geschichte! Mach‘ mit bei der Blogparade „Eine Handarbeits-Erinnerung, die mich beeinflusst hat“ und erzähle uns deine Geschichte!
Liebe Anja,
meine Handarbeitsgeschichte ist Alles in Allem deiner recht ähnlich…
Ich habe mich nach sehr frühen Teenager-Näh-Erfahrungen auch im Seidenmalen, Puppenmachen, Makramee und natürlich Häkeln und am allerliebsten Stricken betätigt.
Letzteres hat mich Jahrzehnte begleitet und mein Umfeld hat mich selten ohne Strickzeug in der Hand angetroffen…
Nun musste ich die Nadeln gesundheitsbedingt an den Nagel hängen.
Dass diese Liebe überhaupt entflammt ist, ist wohl nur meiner ebenso handarbeitsaffinen Mama zu verdanken gewesen. Denn die Grundschullehrerin in der 3. u. 4. Klasse, die uns Handarbeiten nahebringen sollte, war – mit Verlaub gesagt – eine „Hexe“😔
Wenn in ihren Augen ein Strickstück nicht ordentlich gearbeitet war, zog sie kurzerhand die Nadeln raus und schlug uns diese auf den Kopf (unwirsches Auftrennen inklusive)
Ich habe vor ein paar Jahren eine Mütze entsorgt, die ich in dieser Zeit gestrickt hatte und die wirklich erstaunlich gleichmäßig im Strickbild war. Die Note war damals eine 3, was ich noch genau weiß, weil ich so bitter enttäuscht war!
Die Nähliebe von vor über 45 Jahren ist übrigens mit Macht zurück und inzwischen ersetzt diese Handarbeits-Sparte hervorragend mein sehr vermisstes Stricken🥰
…ist allerdings im Chor schwierig…😅
LG Ulrike
Oh, was für eine schöne Geschichte! Danke fürs Teilen. Übrigens… Handnähen geht auch im Chor 😉
Liebe Anja, was für eine spannende Handarbeitsgeschichte. Und wie schade, wenn solche ein Unterricht, der eigentlich so viel Potenzial hat, zu einer Pflichtveranstaltung wird. Die Rebellion kann ich da gut verstehen :-). Und ein Hoch auf deine Mama, das Loslassen will gelernt sein 🙂
Liebe Grüße,
Sabrina